Jeden Tag dasselbe…morgens nach dem Aufstehen ist der Bauch noch flach. Doch schon nach dem Frühstück geht es los. Obwohl Du nicht viel gegessen hast, wölbt sich der Bauch. Im Laufe des Tages wird es immer schlimmer. Nach dem Mittagessen kneift der Hosenbund und Du kommst Dir vor wie ein Ballon, der immer weiter aufgeblasen wird. Am Abend schließlich siehst Du aus, als wärst Du im sechsten Monat schwanger, so dick ist die Kugel, die Du vor Dir herträgst mittlerweile geworden.

Kommt Dir das bekannt vor? Obwohl Du eigentlich schlank bist, hast Du ständig einen aufgetriebenen Bauch? Du hast oft Bauchschmerzen mit übelriechenden Blähungen und weißt nicht weiter? Dann solltest Du diesen Artikel lesen! Denn je besser Du Deinen Darm verstehst, umso leichter kannst Du herausfinden, was Deine Verdauung so aus dem Takt bringt und was Du dagegen tun kannst.

Physiologische Darmgase

Abhängig von der Größe und Zusammensetzung einer Mahlzeit bilden sich bei einer gesunden Verdauung im Darm immer Gase, die später über den Darmausgang abgegeben werden. Diese Gase bestehen zu etwa 99 % aus Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2), Kohlendioxid (C02), Wasserstoff (H2) und Methan (CH4) [1]. Diese physiologischen Gase sind weitgehend geruchlos. Nur etwa 1 % der abgehenden Gase – die Spurengase – sind für den Geruch verantwortlich.

Stickstoff

Atmosphärische Luft besteht zu knapp 80 % aus Stickstoff und zu gut 20 % aus Sauerstoff. Wenn wir zu viel Luft verschlucken, können beide Gase in den Darm gelangen. Das kann zum Beispiel beim zu hastigen Essen und Trinken passieren, aber auch bei Stress oder starker emotionaler Anspannung oder psychosomatischen Erkrankungen. Manchmal liegen die Ursachen auch im vegetativen Nervensystem, etwa wenn die Koordination zwischen Schlucken und Atmung gestört ist. Der medizinische Fachausdruck für Luftschlucken lautet Aerophagie.

Im Stehen oder beim aufrechten Sitzen entweicht die geschluckte Luft durch Rülpsen wieder aus dem Magen. Im Liegen kann sie hingegen durch den Magenpförtner in den Zwölffingerdarm (Duodenum) gelangen. Weil der Pförtner wie ein Ventil nur in eine Richtung durchlässig ist, sind die Gase dann im Verdauungstrakt eingeschlossen. Während der Sauerstoff durch die Darmwand schnell ins Blut abgeben wird, diffundiert der Stickstoff in das Darmlumen.

Kohlendioxid

Im Duodenum wird die Magensäure (HCl) mithilfe der von der Bauchspeicheldrüse abgebenen Sekrete neutralisiert. Dabei reagieren die Wasserstoffprotonen (H+) mit den im Bauchspeichedrüsensekret enthaltenen Bikarbonaten (HCO3–), so dass unter anderem Kohlendioxid (CO2) entsteht. Auch im mittleren Teil des Dünndarms – dem Jejunum – entsteht bei der Neutralisation freier Fettsäuren aus der Nahrung Kohlendioxid. Zur Erinnerung: Fettsäuren bestehen aus einer Carboxygruppe (-COOH) und einer Kette von Kohlenstoffatomen (C), an die Wasserstoffatome (H) gebunden sind.

Eine bestimmte Menge Kohlendioxid wird im oberen Dünndarm also immer gebildet. Weil CO2 sehr schnell ins Blut diffundiert, verursacht es in der Regel keine Blähungen. Nur nach besonders üppigen und fetthaltigen Mahlzeiten mit starker Säure- und Bikarbonatsekretion kann der Gasdruck im Darm kurzzeitig spürbar ansteigen. Daneben lassen auch kohlensäurehaltige Getränke wie Sprudelwasser oder Sekt den CO2-Gehalt im Dünndarm steigen.

Wasserstoff

Wie im im Abschnitt Verdauung meines Artikels Das unterschätzte Organ erklärt, kann der Dünndarm bestimmte Nahrungsbestandteile nicht verdauen. Diese wandern in den Dickdarm, wo sie von den dort ansässigen Bakterien verstoffwechselt werden. Zu diesen Nahrungssubraten gehören:

  • Glykoproteine – Dabei handelt es sich um Makromoleküle aus einem Protein und einer oder mehreren gebundenen Kohlenhydratketten. Weil die Kohlenhydrate meist nur aus wenigen (ca. 5–15) Einfachzuckern bestehen, werden sie als Oligosaccharide bezeichnet. Glykoproteine sind zum Beispiel in Weizenmehl (Lektine) oder in Eiklar (Ovalbumin) enthalten.

  • Nicht-resorbierbare Oligosaccharide wie Stachyose und Raffinose, die in Nahrungsmitteln wie Bohnen, Linsen oder Pflaumen vorkommen

  • Resistente (retrogradierte) Stärke – Diese entsteht, wenn Lebensmittel wie Nudeln oder Kartoffeln erhitzt werden und anschließend abkühlen. Durch die Abkühlung ändert sich die physikalische Konfiguration der Stärkemoleküle. Die resultierende Kristallstruktur kann von den Verdauungsenzymen der Bauchspeicheldrüse nicht mehr aufgespalten werden.

Durch bakterielle Fermentation der oben genannten Substrate entstehen im Dickdarm Essigsäure (Acetat), Milchsäure (Laktat) und Buttersäure (Butyrat) sowie die Gase H2, O2 und CO2. Hauptproduzenten des Wasserstoffs sind Bakterien der Stämme Actinobacteria und Firmicutes. Firmicutes, zu denen unter anderem die Lactobazillen gehören, sind zusammen mit Baceriodetes die in der Welt am häufigsten vorkommenden Bakterien des menschlichen Mikrobioms. Gemeinsam bilden sie etwa 85 % der Darmflora eines erwachsenen Menschen [2]. Wieviel H2 ein Mensch bildet, hängt letztendlich von der Zusammensetzung seines Mikrobioms ab.

Methan

Methangas ist ein Stoffwechselprodukt des Bakteriums Methanobrevibacter smithii (Bakterienstamm Euryarchaeota), das im Dickdarm lebt und sich von Wasserstoff und Kohlendioxid ernährt. Abhängig von der Zusammensetzung der Darmflora wird also ein Teil des im Dickdarm vorhandenen Wasserstoffs in Methan umgewandelt [2]:

CO2 + 4H2 ⟶ CH4 + 2H2O

Dabei reduziert die Anwesenheit von M. smithii das Gasvolumen, weil vier Liter H2 zu einem Liter CH2 metabolisiert werden [3]. Neben M. smithii finden sich manchmal auch kleine Populationen anderer methanproduzierenden Bakterien im menschlichen Verdauungstrakt, sie sind jedoch von untergeordneter Bedeutung.

Spurengase

Obwohl Spurengase nur etwa 1% der Darmwinde ausmachen, können sie üblen Gestank verursachen. Sie sind das Ergebnis der bakteriellen Vergärung und Zersetzung von Aminosäuren und Kohlenhydraten im Dickdarm. Dabei gilt:

  • Die Art der Gase hängt von der Zusammensetzung der Darmflora ab und
  • je länger die Darmpassage, umso stärker der Geruch.

Schwefelhaltige Gase entstehen beim Abbau schwefelhaltiger Aminosäuren wie Cystin oder Taurin, die in allen tierischen Eiweißen wie Fleisch, Milchprodukten oder Eiern in großen Mengen enthalten sind. Auch der Verzehr besonders schwefelhaltiger Gemüsesorten wie Brokkoli, Kohl oder Spargel kann für schlechten Geruch sorgen. Der Grund ist die Stoffwechselaktivität sulfatreduzierender Bakterien im Dickdarm, beispielsweise der Gattungen Desulfovibrio (Bakterienstamm Proteobacteria) und Desulfotomaculum (Bakterienstamm Firmicutes). Zu den schwefelhaltigen Gasen gehören Schwefelwasserstoff (Geruch nach faulen Eiern), Dimethylsulfid (Geruch ähnlich wie gekochter Kohl) und/oder Methanthiol (Geruch nach verfaultem Gemüse) [4].

Indol entsteht als Abbauprodukt aus der Aminosäure Tryptophan. Stark verdünnt riecht es nach Blumen und wird deshalb zur Herstellung von Farbstoffen und Arzneimitteln eingesetzt. Interessanterweise hat Indol in hohen Konzentration einen Fäkaliengeruch.

Wie Indol ist auch Skatol ein Abbauprodukt der Aminosäure Tryptophan und Hauptverursacher des Kotgeruchs. Ebenso wie Indol riecht Skatol in geringen Konzentrationen angenehm und wird deswegen in Parfüms verwendet.

Auch kurzkettige Fettsäuren, wie sie bei der Fermentierung wasserlöslicher Ballaststoffe im Dickdarm entstehen, können Grund für geruchsintensive Blähungen sein. Beispielsweise erinnert der Geruch von Buttersäure an ranzige Butter und hat olfaktorische Ähnlichkeit mit Erbrochenem.

Besonders übelriechend ist der beißende Geruch von Ammoniak. Intestinales Ammoniak wird von Bakterien der Gattungen Clostridien (Bakterienstamm Firmicutes), bestimmten Escherichia coli-Varianten (Hämolysierende E. coli [5]), Klebsiella und Proteus (alle drei Bakterienstamm Proteobacteria) bei der Zersetzung von Proteinen produziert [6].

Die Ursachen von Blähungen

Die Gründe für die übermäßige Produktion von Darmgasen sind die Vergärung von Kohlenhydraten oder/und die Zersetzung von Eiweißen (Fäulnis) sowie die darauf folgende, pathologische Vermehrung von Bakterien im Dünndarm, im Dickdarm und manchmal sogar im gesamten Intestinaltrakt. Ein Teil der Gase wird von der Darmflora wieder verbraucht, zum Beispiel für die Umwandlung von Wasserstoff in Methan. Teilweise diffundieren Darmgase auch über die Darmschleimhaut in die Blutbahn und werden über die Lunge abgeatmet (Mundgeruch!). Die übrigen Gase verlassen den Körper über den Darmausgang.

Vergärung von Kohlenhydraten

Bei einer funktionierenden Verdauung werden komplexe Kohlenhydrate in resorbierbare Einfachzucker (Monosaccharide) aufgespalten, die dann von den Enterozyten der Dünndarmschleimhaut absorbiert werden. Die an der Kohlenhydratverdauung beteiligten Verdauungssäfte und Enzyme sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.

Flüssigkeit Enzyme Anfangsprodukte Endprodukte
Speichel α-Amylase Stärke Dextrine (Mehrfachzucker),
Maltose (2xGlukose = Disaccharid)
Magensaft    
Bauchspeichel α-Amylase
Disaccharidase
Stärke
Disaccharide
Maltose
Monosaccharide
Dünndarmsaft α-Amylase Stärke Maltose
Gallensaft    

Wenn die Verdauung von Kohlenhydraten unvollständig ist oder die Einfachzucker im Dünndarm nicht aufgenommen werden können, kommt es zur Gärungsdyspepsie. Dabei gilt: je eingeschränkter die Kohlenhydratverdauung im Dünndarm, desto stärker die Gasbildung im Dickdarm. Die mangelhafte Kohlenhydratverdauung wird auch als Kohlenhydrat-Malabsorption bezeichnet.

Ursachen der Kohlenhydrat-Malabsorption

  • Laktoseintoleranz: Ein Mangel des Enzyms Laktase verhindert die Aufspaltung des Zweifachzuckers Laktose in die Einfachzucker Glukose und Galaktose. Der Milchzucker kann vom Dünndarm nicht verdaut werden und vergärt schließlich im Dickdarm. Mögliche Ursachen sind eine altersbedingte Abnahme der Laktaseproduktion, eine Pankreasinsuffizienz oder eine genetische Disposition. Letztere könnte erklären, warum nur etwa 5 bis 17 % der Europäer, aber etwa 44 % der Amerikaner und sogar 60 bis 80 % der Afrikaner und Asiaten von Lakotseintoleranz betroffen sind [7].

  • Fruktose-Malabsorption: Bei einer Fruchtzuckerunverträglichkeit wird Fruktose im Dünndarm nur unzureichend resorbiert. Der Grund ist eine eingeschränkte Transportkapazität des Transportproteins GLUT5.

  • Zöliakie: Die Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, bei der das spezifische Immunsystem Antikörper gegen das Getreideeiweiß Gluten bildet und bei dauerhafter Zufuhr zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut und schließlich zur Zottenatropie führt (Abb. unten).

Zoeliakie
Stadien der Schleimhautschädigung bei Zöliakie gemäß Marsh-Klassifikation: Marsh 0: Gesunde Schleimhaut, Marsh 1-3: Zunahme von Immunzellen, Vertiefung der Krypten und Verflachung der Zotten, Marsh 4: Zottenatropie;
Quelle: User:andreas06, Coeliac Disease de, CC BY-SA 3.0
  • Weizensensitivität: Weizen und andere Getreidesorten enthalten sogenannte Amylase-Trypsin-Inhibitoren. Diese Eiweiße aktivieren Immunabwehrzellen des unspezifischen (angeborenen) Immunsystems, die Entzündungsstoffe freisetzen und zu Schleimhautschäden führen [8].

  • FODMAP-Unverträglichkeit: Fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole umfassen kurzkettige Mehrfachzucker, Zweifachzucker und Einfachzucker sowie Zuckeralkohole, die vom Dünndarm nur schlecht resorbiert werden. Die Gründe für die schlechte Resorption sind vielfältig. Beispielsweise können die Kanäle und Transporter in der Darmschleimhaut mengenmäßig mit der Aufnahme der FODMAP überfordert sein. Ebenso kommt ein Enzymmangel in Betracht. Manche Polyole können auch zu groß für die Passage durch die Darmwand sein [9].

Infolge der Kohlenhydrat-Malabsorption entzündet sich die Dünndarmschleimhaut. Sie kann nicht heilen, solange die entzündungsauslösenden Lebensmittel weiter konsumiert werden. Die Entzündung beschädigt die Saumzellen des Dünndarmeptithels, so dass sie immer weniger Disaccharidase produzieren [10*]. Auf diese Weise kann sich eine ursächliche Laktoseintoleranz zu einer FODMAP-Unverträglichkeit ausweiten. Häufig ist gleichzeitig die Eiweißverdauung beeinträchtigt, weil die Saumzellen auch weniger Peptidasen für die Eiweißverdauung produzieren.

Auch die chronisch entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn, die den gesamten Dünndarm befallen kann, beschädigt die Enterozyten und reduziert die Resorptionsfähigkeit der Dünndarmschleimhaut. Neben Blähungen treten häufig abdomineller Schmerz, Gewichtsverlust und Müdigkeit auf [11].

Die im Dickdarm entstehenden Gärungsprodukte (CO2, H2, Methan, kurzkettige Fettsäuren) verursachen neben Blähungen auch Völlegefühl und krampfartige Bauchschmerzen. Weil sie den Druck auf die Lunge erhöhen, kann es zu Atemproblemen und Aerophagie-Symptomen kommen. Zusätzlich sind FODMAP-Moleküle osmotisch wirksam, erhöhen also den Wassereinstrom über die Darmwand in das Darmlumen und bedingen daher häufig Durchfälle [9].

Dünndarmfehlbesiedlung

Befinden sich wegen einer Kohlenhydrat-Malabsorption sehr viele fermentierbare Kohlenhydrate im Dünndarm, können sich Keime, die normalerweise im Kolon leben, vermehren und den Dünndarm überwuchern. Dabei kann die Keimzahl im oberen Dünndarm auf über 105 Keime pro ml ansteigen. Zur Erinnerung: In einem gesunden Jejunum befinden sich etwa 102 bis maximal 105 Keime pro ml Darminhalt. Oberhalb dieser Besiedlungsdichte spricht man von einer Dünndarmfehlbesiedlung oder auf Englisch SIBO (Small Intestine Bacterial Overgrowth) [12].

Die Bakterien produzieren im Dünndarm abnorm große Mengen an Kohlendioxid, Wasserstoff und/oder Methan. Typisch für SIBO ist deshalb ein aufgetriebener Bauch kurz nach den Mahlzeiten. Anders als bei Blähungen im Dickdarm können die Gase aber nicht entweichen. Je nachdem, welches Gas überwiegt, hat SIBO neben dem aufgedunsenen Bauch unterschiedliche Auswirkungen: Eine Wasserstoffdominanz führt eher zu Durchfällen, während eine Methandominanz mit der Neigung zu Verstopfung und Übergewicht assoziiert ist [13,14,15].

Eiweißfäulnis

Die Eiweißfäulnis verursacht ähnliche Symptome wie die Kohlenhydratvergärung, kommt jedoch durch unvollständige Proteinverdauung zu Stande. Im gesunden Normalfall werden Eiweiße im Magen in Peptide und Peptidketten (Oligo- und Polypeptide) aufgespalten, anschließend im Dünndarm in Aminosäuren zerlegt und von der Dünndarmschleimhaut absorbiert. Die Tabelle fasst die beteiligten Verdauungssäfte, Enzyme und Verdauungsprodukte zusammen.

Flüssigkeit Enzyme Anfangsprodukte Endprodukte
Speichel    
Magensaft Pepsin Protein Polypeptide, Oligopeptide und Peptide
Bauchspeichel Trypsin Polypeptide, Oligopeptide und Peptide Aminosäuren
Dünndarmsaft Peptidasen (Oligo-)Peptide Aminosäuren
Gallensaft    

Eine gestörte oder unvollständige Proteinverdauung führt dazu, dass Eiweiße und Eiweißbruchstücke in den Dickdarm strömen und von den dort lebenden Bakterien zersetzt werden. Übelriechende Blähungen sind nur eine mögliche Folge. Die Zersetzungsprodukte der Eiweißfäulnis haben darüber hinaus massive schädliche Auswirkungen auf den gesamten Organismus (siehe Abschnitt Fehlbesiedlung von Dünndarm und/oder Dickdarm).

Ursachen der Fäulnis

  • Proteinreiche Ernährung: Der Darm kann mit sehr viel Eiweiß auf einmal überfordert sein, weil die von Magen, Bauchspeicheldrüse und Darm ausgeschüttete Menge eiweißspaltender Enzyme nicht ausreicht, um sämtliches Protein vollständig in Aminosäuren aufzuspalten. Besonders Eiweißshakes können problematisch sein, weil sie den Magen schneller passieren als feste Nahrung. Molkeprotein (Whey) ist zudem wegen der enthaltenden Laktose für Personen mit Kohlenhydrat-Malabsorption schlecht verträglich.

  • Magensäuremangel: Die Magensäure hat zwei Funktionen: Einerseits sorgt sie für die Auflösung und Verflüssigung der Speisereste, andererseits aktiviert sie das eiweißspaltende Enzym Pepsin. Ein anhaltender Mangel an Magensäure führt deshalb auch immer zu Eiweißfäulnis. Paradoxerweise sind Sodbrennen und Reflux in Wahrheit nicht mit einem Säureüberschuss, sondern mit einem Säuremangel assoziiert [16]. Wer dann noch Magensäureblocker einnimmt, heizt die Fäulnisprozesse im Darm erst recht an.

  • Enzymmangel: Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreasinsuffizienz) und/oder beschädigte Enterozyten gehen meist mit einer unzureichenden Produktion an Verdauungsenzymen einher. In der Folge werden Eiweiße nicht (vollständig) abgebaut und wandern in den Dickdarm, wo sie von Fäulniskeimen zersetzt werden. Häufig ist gleichzeitig die Verdauung von Fetten und Kohlenhydraten (siehe Kohlenhydratvergärung) gestört.

  • Entzündungen und Darmkrebs: Entzündungen der Schleimhäute führen zur Absonderung eines eiweißhaltigen Sekrets, des sogenannten Exsudats. Zu den exsudativen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakt gehören unter anderem Zöliakie, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und Darmkrebs [17]. Das eiweißreiche Sekret bildet einen Nährboden für die Fäulnisflora.

Eiweißfäulnis kommt bei einem gesunden Menschen nur gelegentlich vor und ist meist die Folge von sehr proteinreicher Kost. Man bemerkt sie am Auftreten von Spurengasen. Bei einer anhaltenden Verdauungsschwäche können sich die Fäulniskeime allerdings pathologisch vermehren und die Eiweißfäulnis zusätzlich befeuern. Dies ist der Einstieg in den Teufelskreis der bakteriellen Fehlbesiedlung.

Fehlbesiedlung von Dünndarm und/oder Dickdarm

Wer meinen vorherigen Artikel Das unterschätzte Organ gelesen hat, weiß, dass der pH-Wert im oberen Teil des Dünndarms und im Dickdarm bei einem gesunden Menschen im sauren Bereich bei etwa 6 liegt.

Eine ausgeprägte Fäulnisflora verändert das Darmmilieu und bringt es schlussendlich zum “Umkippen”. Meist ist nur der Dickdarm betroffen, manchmal kann zusätzlich der Dünndarm mit Fäulniskeimen überwuchert sein (siehe Abschnitt Dünndarmfehlbesiedlung). Die Fäulnisflora verdrängt die protektive Säuerungsflora und verschiebt das eigentlich saure Darmmilieu in den basischen Bereich. Eine Überwucherung mit Fäulniskeimen bedingt daher meist die Unterbesiedelung mit säureproduzierenden Bakterien wie Bifidobacterium, Lactobacillus und/oder Enterokokkus.

Die nachfolgende Tabelle zeigt exemplarisch einige Keime, die sich bei der Eiweißfäulnis besonders stark vermehren können und wie diese nicht nur dem Darm, sondern dem gesamten Organismus schaden.

Bakterium Stoffwechselprodukte Wirkung
Escherichia coli biogene Amine wie Histamin, Tyramin, Putrescin und Agmatin
Ammoniak
Histaminvergiftung [18],
entzündliche Schleimhautveränderung
Alkalisierung des Darmmilieus,
(sub)toxische Belastung der Leber
Clostridium species Toxine wie Zytotoxin, Endotoxin und Enterotoxin,
Schwefelwasserstoff,
Ammoniak
Schädigung der Dickdarmschleimhaut,
Störung des Elektrolyttransports,
Mundgeruch, toxische Effekte auf Lunge, Herz, Gefäße und Gehirn, Colitis ulcerosa, krebsfördernd [19], alkalisierend
Klebsiella species biogene Amine wie Cadaverin und Putrescin, Enterotoxine, Skatol
Ammoniak
Schädigung der Darmschleimhaut,
Colitis [20], Gallenblasenentzündung [21]
Alkalisierung des Darmmilieus,
(sub)toxische Belastung der Leber
Proteus species Toxine, biogene Amine
Ammoniak
Förderung von Nierensteinen [21],
Alkalisierung des Darmmilieus

Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer schädlicher Keime, die hier nicht genannt werden, weil sie den Umfang dieses Artikels sprengen würden. Auf die schädlichen Auswirkungen der Eiweißfäulnis werde ich in einem der nächsten Artikel eingehen. Hier geht es in erster Linie um die Ursachen von Blähungen.

Maßnahmen gegen Blähungen

Zunächst einmal – ab und zu Blähungen zu haben ist nicht ungewöhnlich, denn auch Magen und Darm sind nicht immer gleichermaßen leistungsfähig. Manchmal schlägt uns der Stress auf die Verdauung. Bei manchen Frauen beeinflusst der Zyklus die Darmtätigkeit. Auch ein besonders üppiges oder zu hastiges Essen kann ein Auslöser sein. Wenn Dich Deine Blähungen allerdings täglich plagen, steckt sehr wahrscheinlich ein gesundheitliches Problem dahinter.

Ursachen erkennen

Die nachfolgende Tabelle liefert Anhaltspunkte, um die Ursache häufig auftretender Blähungen herauszufinden. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Art der Blähungen mögliche Ursache zusätzliche Symptome
Blähungen kurz nach dem Essen,
kein Gasabgang
- Kohlenhydrat-Malabsorption
- Dünndarmfehlbesiedlung/SIBO
Völlegefühl, krampfartige Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung
Blähungen 6 bis 15 Stunden
nach dem Essen,
geruchsarmer Gasabgang
- Mahlzeit reich an Ballasstoffen, nicht-resorbierbaren Kohlenhydraten, Glykoproteinen (z.B. Kohlgemüse, Hülsenfrüchte, Zwiebeln, Äpfel, Pflaumen, Nüsse, Kartoffelstärke)
- Kohlenhydrat-Malabsorption
- voluminöser weicher Stuhl
- bei KH-Malabsorption: Völlegefühl, krampfartige Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung
Blähungen 6 bis 15 Stunden
nach dem Essen,
stinkender Gasabgang mit
Schwefelgeruch
- Mahlzeiten reich an schwefelhaltigem Gemüse (z.B. Brokkoli, Kohl, Spargel)
- Dickdarmfehlbesiedlung mit Proteobakterien (z.B. Desulfovibrio)
- Kohlenhydrat-Malabsorption (?)
Mundgeruch, Bauchkrämpfe, stinkender breiiger Stuhl, Durchfall
Blähungen 15 bis 40 Stunden
nach dem Essen mit Fäulnis-
oder Ammoniakgeruch
- Eiweißfäulnis
- Fehlbesiedlung des Darms mit ausgeprägter Fäulnisflora
faulig stinkender, breiiger Stuhl, häufig verlangsamte Darmpassage, Durchfall oder Verstopfung, Übelkeit (Leberbelastung!), Histaminintoleranz

Um herauszufinden, ob Du an einer Kohlenhydrat-Malabsorption leidest, kannst Du beim Arzt einen Wasserstoff-Atemtest durchführen. Der im Darm gebildete Wasserstoff wird über die Darmwand in das Blut aufgenommen und über die Lunge abgeatmet. Je mehr Kohlenhydrate in den Dickdarm gelangen, umso mehr Wasserstoff wird von den dort lebenden Bakterien gebildet. Über zeitlichen Verlauf der H2-Atemkonzentration lässt sich auch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms nachweisen.

Organische Erkrankungen wie Zöliakie, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Geschwüre oder Tumoren müssen mit Blut- und Stuhluntersuchungen, Ultraschalluntersuchungen des Bauchraums und/oder einer Dickdarmspiegelung abgeklärt werden.

Bei Verdacht auf Eiweißfäulnis lohnt sich eine Darmfloraanalyse. Hierfür wird eine Stuhlprobe auf ihre Bakterienzusammensetzung, ihren pH-Wert, Schimmel und Hefen sowie Eiweiß-, Fett- und Stärkerückstände im Stuhl untersucht. Zusätzlich können Entzündungsmarker gemessen werden, die auf entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut hinweisen. Einen Auszug aus dem Ergebnis meiner eigenen Darmfloraananlyse im Jahr 2018 siehst Du im Bild unten.

Auszug aus dem Ergebnis meiner Darmfloraanalyse
Auszug aus dem Ergebnis meiner Darmfloraanalyse. Der Stuhl-pH-Wert ist erhöht, die Fäulniskeime E. coli und Clostridien haben sich stark vermehrt

Wie Du siehst leide/litt ich ebenfalls an einer Fehlbesiedlung mit histaminproduzierenden E. coli-Bakterien und Clostridien. Leider haben nur wenige Schulmediziner Ahnung von Darmfehlbesiedlung oder halten sie für medizinischen Unsinn, weshalb ich viele Jahre wegen meiner Symptome verzweifelt von Arzt zu Arzt gelaufen bin, nur um am Ende als eingebildete Kranke abgestempelt zu werden.

Wenn ärztliche Untersuchungen ohne Ergebnise verlaufen, empfehle ich Dir ein Ernährungstagebuch mit allen Symptomen. Dazu gehören nicht nur Verdauungsprobleme, sondern auch Probleme wie Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Hautprobleme oder depressive Verstimmungen. Mehr Informationen findest Du hier: Das unterschätzte Organ (Darm-Hirn-Achse) und “Es ist bestimmt die Psyche.” Nein, es ist Histaminintoleranz!.

Behandlungsmaßnahmen

Bei einer Fruktose-Malabsorption oder FODMAP-Unverträglichkeit solltest Du für vier bis sechs Wochen auf die unverträglichen Kohlenhydrate verzichten, damit sich die angegriffene Darmschleimhaut erholen kann. Manchmal kann der Darm im Anschluss wieder kleinere Mengen an Fruktose oder FODMAP verdauen. Fruktose wird außerdem besser vertragen, wenn man sie mit Glukose kombiniert [22]. Bei Weizensensivität und Zöliakie hilft leider nur ein lebenslanger Verzicht auf Weizen und glutenhaltiges Getreide.

Wenn Du unter Dünndarmfehlbesiedlung leidest, kann eine mehrwöchige Kohlenhydratkarenz die Bakterien regelrecht aushungern. Umfassende Informationen zur Behandlung von SIBO findest Du zum Beispiel bei Autoimmunportal.

Verdauungsenzyme
Rezeptfrei erhältliche Verdauungsenzyme

Ein vorübergehender oder dauerhafter Enzymmangel (z. B. bei Entzündung der Dünndarmschleimhaut, Laktasemangel oder Pankreasinsuffizienz) muss durch Enzymtabletten ausgeglichen werden, damit sich die Verdauung normalisieren und die Darmschleimhaut regenerieren kann. Verdauungsenzyme kann man rezeptfrei in Apotheken oder in Online-Shops bekommen (Bild rechts).

Die Dickdarmfehlbesiedlung wird in der Regel über die Gabe von Probiotika und Präbiotika behandelt. Sie sollen die protektive Säuerungsflora vermehren, den sauren Darm-pH-Wert wiederherstellen und die Populationen schwefelproduzierender Bakterien und/oder Fäulniskeime reduzieren. Betroffene sollten zudem temporär eine auf das Mikrobiom abgestimmte Diät einhalten, um Fäulnisbakterien und gegebenenfalls vorhandenen Darmpilzen die Nahrung zu entziehen. Ich empfehle dazu die Begleitung durch einen auf Darmgesundheit spezialisierten ganzheitlichen Arzt oder Heilpraktiker.

Magensäurekapseln
Magensäurekapseln ersetzen fehlende Magensäure

Aber vorsicht, auch Therapeuten sind nicht allwissend! Ich habe mehrere Therapieversuche mit Bifido- und Laktobazillen hinter mir, die mir zwar kurzfristig halfen, aber langfristig wirkungslos waren. Kurze Zeit nach Absetzen der Produkte – die ich im Übrigen alle privat bezahlen musste – kehrten meine Symptome (Übelkeit, körperliche Schwäche und eine ausgeprägte Histaminintoleranz) zurück.

Auf die Lösung kam ich erst, als ich das Buch “Neue Wege aus dem Histamin-Dilemma” [23*] las. Meine Darmsanierungen waren an einem Magensäuremangel gescheitert! Weil ich die Fäulniskeime täglich mit unverdauten Eiweißbruchstücken fütterte, wucherten sie trotz Milchsäurekuren weiter. Keiner meiner Therapeuten war darauf gekommen. Mittlerweile nehme ich zu jeder Mahlzeit rezeptfreie Magensäurekapseln mit Pepsin ein (Bild links) und es geht mir sehr viel besser.

Fazit

Leider finden viele Ärzte die Ursache von Blähungen nicht und Du musst Dir selbst helfen oder dem Arzt zumindest die richtigen Hinweise liefern. Ich hoffe, dieser Artikel konnte dazu beitragen. Versuche niemals, nur die Symptome zu unterdrücken, sondern forsche nach der Ursache Deiner Probleme. Nur so kannst Du Folgeschäden verhindern.

Im nächsten Artikel geht es um den Aufbau der Darmbarriere. Wegen ihrer Struktur aus Schleimhautfalten, Zotten und Mikrozotten ist die Darmschleimhaut unsere größte Kontaktfläche zur Umwelt und steht vor der komplexen Aufgabe, uns mit Nährstoffen zu versorgen und gleichzeitig vor dem Eindringen pathogener Erreger und Umweltgifte zu schützen. Wie ihr das gelingt erfährst Du hier.

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Quellen

  1. Lembcke, B., Leitsymptom Meteorismus. Deutsches Ärzteblatt 87, H. 48, XI (1990) 33.
  2. Smith NW, Shorten PR, Altermann EH, Roy NC, McNabb WC. Hydrogen cross-feeders of the human gastrointestinal tract. Gut Microbes. 2019;10(3):270–288.
  3. Grimble, J. Fibre, fermentation, flora and flatus. Gut 1989;30:6-13.
  4. https://www.unitypoint.org/livewell/article.aspx?id=f4ac971f-95a4-49ad-b08d-2be2467257e0
  5. https://www.enterosan.de/grundlagen/keimsteckbriefe.html
  6. Vince A, Dawson AM, Park N, O’Grady F. Ammonia production by intestinal bacteria. Gut. 1973;14(3):171–177. doi:10.1136/gut.14.3.171
  7. https://www.healthline.com/nutrition/lactose-intolerance-102
  8. https://www.dzg-online.de/krankheitsbild.312.0.html
  9. https://www.lifeline.de/magen-darm/reizdarm/fodmap-id170234.html
  10. Dr. Natasha Campbell-McBride MD. Gut and Psychology Syndrome: Wie Darm und Psyche sich beeinflussen. Herausgeber: Medinform Publishing Buch*
  11. Der Allgemeinarzt, Ausg. 02/2019
  12. Sachdev AH, Pimentel M. Gastrointestinal bacterial overgrowth: pathogenesis and clinical significance. Ther Adv Chronic Dis. 2013;4(5):223–231.
  13. Majewski M, McCallum RW. Results of small intestinal bacterial overgrowth testing in irritable bowel syndrome patients: clinical profiles and effects of antibiotic trial. Adv Med Sci. 2007;52:139-42.
  14. Ghoshal UC, Srivastava D, Verma A, Misra A. Slow transit constipation associated with excess methane production and its improvement following rifaximin therapy: a case report. J Neurogastroenterol Motil. 2011;17(2):185–188.
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  16. https://tahomaclinic.com/2011/01/digestive-theory-of-aging-part-2/
  17. Wikipedia – Exsudative_Gastroenteropathie
  18. https://www.histaminintoleranz.ch/de/histaminose_ursachen-ueberblick.html#histaminzufuhr
  19. Linden DR. Hydrogen sulfide signaling in the gastrointestinal tract. Antioxid Redox Signal. 2014 Feb 10;20(5):818-30
  20. https://www.pnas.org/content/116/9/3774.short?rss=1
  21. Wengenroth JM. Die bakterielle Fehlbesiedlung des Darms und die Möglichkeit von ernährungstherapeutischen Maßnahmen. Bachelorarbeit. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
  22. Wikipedia – GLUT-5
  23. Kristin Deppe. Neue Wege aus dem Histamin-Dilemma. Herausgeber: tredition GmbH, Hamburg Buch*

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