Sodbrennen bezeichnet den brennenden Schmerz hinter dem Brustbein, wenn saurer Magensaft in die Speiseröhre fließt. Steigt der saure Reflux bis in den Hals, können Heiserkeit, Reizhusten und sogar Atemnot auftreten. Sodbrennen ist nicht nur unangenehm sondern ein Warnsignal: Chronischer Reflux führt zu Entzündungen, Geschwüren und im schlimmsten Fall zu Speiseröhrenkrebs.

Sodbrennen

Weil immer mehr Menschen an Sodbrennen leiden, hat sich die Zahl der in Deutschland verordneten Tagesdosen an Protonenpumpenhemmern (PPI) zwischen 2007 und 2017 verdreifacht [1]. Selbst als immer mehr gefährliche Nebenwirkungen der PPI bekannt wurden, sank die Zahl der Verschreibungen nur geringfügig. Denn noch immer glauben Ärzte und Patienten, dass Reflux durch einen Säureüberschuss im Magen ausgelöst wird – ein Irrtum mit fatalen Folgen.

Der Magen

Bei gastroösophagealem Reflux kommen zwei Komponenten zusammen: Der undichte Schließmuskel zwischen Magen und Speiseröhre – (unterer) Ösophagussphinkter genannt – und die säurehaltige Flüssigkeit aus dem Magen.

Ösophagussphinkter

Der Magen ist von der Speiseröhre durch den ringförmigen Ösophagussphinkter (griechisch sphigktḗr, zu: sphíggein = zuschnüren) getrennt. Er befindet sich an der Cardia (Magenmund) – jenem Bereich, in dem die Speiseröhrenmuskulatur in die Magenmuskulatur übergeht [2].

Magen
Anatomie des Magens; Der Ösophagus-Sphinkter verschließt die Cardia in Richtung der Speiseröhre (esophagus). Quelle: Henry Vandyke Carter creator QS:P170,Q955620 Derivative work: Mysid Henry Gray author QS:P50,Q40319, Gray1046, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Der Ösophagussphinkter öffnet sich normalerweise nur im Bedarfsfall, also beim Schlucken von Nahrung und Flüssigkeit sowie beim Aufstoßen oder Erbrechen. Wenn der Ringmuskel dauerhaft nicht richtig schließt oder sich regelmäßig im falschen Moment öffnet, so dass der Mageninhalt in die Speiseröhre (zurück) fließt, spricht man von Reflux.

Magensaft

Die Verdauungsflüssigkeit im Inneren des Magens wird von den Zellen in der Magenschleimhaut produziert. Zweck der Salzsäure ist es, den Speisebrei zu zersetzen und die enthaltenen Proteine in ihre Bestandteile zu zerlegen. Säure ist aber nur ein Bestandteil, denn der Magensaft besteht aus mehreren Komponenten [3]:

  • Salzsäure (HCl) – Die Wasserstoff-Ionen (H+) werden von den Belegzellen in der Magenschleimhaut erzeugt, während die Chlorid-Ionen (Cl-) aus dem Blutplasma kommen. Die Vereinigung zu HCL findet erst im Magenlumen statt, da die Säure sonst die Magenschleimhaut beschädigen würde.
  • Pepsin, einem Verdauungsenzym, das Eiweiße in Peptide und Aminosäuren spaltet; Die Magenschleimhaut produziert die Enzymvorstufe Pepsinogen. Diese wird erst von der Salzsäure im Magenlumen in Pepsin umgewandelt.
  • Dem Intrinsischen Faktor, einem Glykoprotein, dass für die Resorption von Vitamin B12 im Dünndarm notwendig ist
  • Dem Mukus, einem von der Magenschleimhaut produzierten Schleim, der das Magenepithel vor Säure, Reibung und Fremdkörpern schützt

Aufgrund seines Säuregehalts liegt der physiologische pH-Wert des Magensafts zwischen 1 und 3. Steigt er über 3, schütten die hormonproduzierenden Zellen der Magenschleimhaut das Hormon Gastrin aus, welches die Säureproduktion in den Belegzellen fördert. Die hormonelle Regulierung sorgt dafür, dass der Magen mehr Säure produziert, sobald wir Nahrung (pH-Wert ≈ 7) zu uns nehmen.

Magenschleimhaut

Damit sich der Magen nicht selbst verdaut, bildet die Magenschleimhaut Hydrogencarbonat – eine alkalische Substanz, die die Säure neutralisiert. Zusammen mit dem Mukus bildet sie einen Schutzwall für das säureempfindliche Magenepithel. Der Magen ist somit perfekt für den Säuregehalt ausgelegt. Dagegen ist die Speiseröhre einem Säureangriff schutzlos ausgeliefert, denn sie produziert weder Schleim noch Hydrogencarbonat.

Die Ursachen von Reflux

Nachfolgend findest Du die häufigsten Ursachen für gastroösophagealen Reflux. Die erste Ursache wird Dich vermutlich überraschen.

Magensäuremangel/Achlorhydrie

Sodbrennen wird sehr oft von einem Magensäuredefizit ausgelöst. Wie die untenstehende Graphik zeigt, produzieren Teenager am meisten Magensäure [4*]. Mit fortschreitendem Alter nimmt die durchschnittliche Säureproduktion kontinuierlich ab. In einer japanischen Studie in den Neunziger Jahren litten 40 Prozent der Probanden im Alter von 50 Jahren an Achlorhydrie [5].

Magensaeureproduktion
Magensäureproduktion (Milligramm/Stunde) versus Lebensalter (Jahre) Quelle: "Why stomach acid is good for you", siehe [4]

Doch wenn die Magensäureproduktion rückläufig ist, warum tritt Reflux mit zunehmendem Alter dann immer häufiger auf [6]?

Der Grund ist, dass ein untersäuerter Magen seine Funktion verliert. Im Normalfall zersetzt die Salzsäure den Nahrungsbrei und wandelt die Enzymvorstufe Pepsinogen in das eiweißverdauende Enzym Pepsin um. Der Prozess läuft optimal bis zu einem pH-Wert von 4. Ab einem pH-Wert von 5 versiegt die Enzymproduktion – ab dann bleiben Steak, Eier und Co. unverdaut im Magen liegen [4*].

Ist sehr wenig Säure vorhanden, muss der Magen sehr viel Muskelarbeit leisten, um die wenige vorhandene Säure zu verteilen. Menschen mit einem Säuredefizit leiden deshalb häufig an Magendrücken, Völlegefühl und Aufstoßen. Weil der unverdaute Speisebrei nach nach einer gewissen Zeit anfängt zu gären, entstehen Gase und der Druck im Magen steigt. Gibt der Ösophagussphinkter nach, schießt der Mageninhalt als Reflux in die Speiseröhre.

Ernährungsgewohnheiten

Hot Dog

Wer unter Reflux leidet und häufig Fast Food oder viele Fertiggerichte isst, dem hilft meist schon eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Denn was wir essen, hat Einfluss auf den Muskeltonus des Ösophagussphinkters. Lebensmittel und Getränke wie

  • fettreiche Speisen,
  • Zuckerhaltiges und Schokolade,
  • bestimmte Minze-Arten (z.B. Pfefferminze, Grüne Minze),
  • Zwiebeln und
  • Bier, Wein, Kaffee

können den Ösophagussphinkter schwächen und dazu führen, dass er sich im falschen Moment öffnet (Transiente Relaxation) [4*]. Dagegen scheint eine kohlenhydratreduzierte und mediterrane Diät gegen Reflux zu schützen [7].

Auch zu schnelles Essen kann Reflux auslösen. Wer sein Essen hastig herunterschlingt, riskiert, dass der Magen mit der Verdauung überfordert ist. Denn je weniger wir kauen, umso mehr Arbeit muss der Magen leisten. Unvollständig verdaute Essensklumpen gären im Magen. Die dabei entstehenden Zersetzungsgase können den Ösophagus-Sphinkter überfordern (siehe Magensäuremangel).

Krankheiten

Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden als Ursache von Refluxkrankheiten bei Erwachsenen häufig übersehen. Dabei können Allergene in Kuhmilch oder Eiern den Ösophagus-Sphinkter spontan erschlaffen lassen. Babies und Kleinkinder, deren Cardia noch nicht ausgereift ist, reagieren auf unverträgliche Nahrungsmittel sehr schnell mit Erbrechen. Werden die unverträglichen Lebensmittel weggelassen, verringert sich der Reflux oder verschwindet sogar ganz [4*,8].

Magensaeureproduktion
Oben: Normallage des Magens unten: Zwerchfellbruch
Quelle: BruceBlaus, Hiatal Hernia, CC BY-SA 4.0

Bei einem Zwerchfellbruch kann sich ein Teil des Magens in die Brusthöhle verlagern, so dass unterhalb des Schließmuskels eine Engstelle entsteht (siehe Abbildung). Ein Zwerchfellbruch kann, muss aber nicht zu Reflux führen. Schätzungsweise sind ein Viertel bis die Hälfte aller Fünfzigjährigen von einen Zwerchfellbruch betroffen – davon sind jedoch 90 Prozent beschwerdefrei [4*,9].

Diabetes schädigt Nerven (Neuropathien) und Blutgefäße. Als Folge sinkt die Beweglichkeit von Speiseröhre und Magen und die Funktion des Verschlussmuskels ist beeinträchtigt. Studien an Typ I und Typ II Diabetikern bestätigen, dass mindestens 25 Prozent von ihnen unter Sodbrennen leiden [10].

Der Keim Helicobacter Pylori setzt sich auf der Oberfläche der Magenschleimhaut fest und sezerniert ein Enzym, das ihn vor der Magensäure schützt. Je nach Magenregion können die dadurch ausgelösten Entzündungen zu einer Steigerung oder Hemmung der Magensäureproduktion führen.

Andere Auslöser von Reflux können Herzinfarkte, Kollagenosen oder das Zollinger-Ellison-Syndrom sein. Eine ausführliche Liste krankheitsbedingter Ursachen findest Du hier.

Druck auf den Schließmuskel

Übergewicht oder ein ungeborenes Kind erhöhen den abdominalen Innendruck. Dieser kann den Mageninhalt nach dem Essen zurück in die Speiseröhre pressen. Bei Schwangeren reduziert der hohe Progesteron-Spiegel zudem den Muskeltonus des Ösophagussphinkters. Entsprechend steigt das Refluxrisiko mit fortschreitender Schwangerschaft.

Mit einem geschwächten Ösophagussphinkter kann es sogar beim Husten, Bücken oder schweren Heben zu Reflux kommen. Wenn sich der Mageninhalt beim Liegen in den oberen Magenbereich verlagert, kann sich der Schließmuskel auch nachts öffnen. In diesem Fall ist es hilfreich, mit leicht erhöhtem Oberkörper zu schlafen und auf späte Mahlzeiten zu verzichten.

Medikamente

Die nachfolgenden Medikamente können den Muskeltonus des Ösophagussphinkters herabsetzen [11]:

  • nichtsteroidale Entzündungshemmer wie Ibuprofen
  • blutdrucksenkende Mittel wie Kalziumantagonisten und Betablocker
  • Asthmamittel wie Theophyllin, Albuterol und Ephedrin
  • Muskelrelaxantien
  • Benzodiazepine

Eine ausführliche Wirkstoff- und Medikamentenliste gibt es hier.

Reflux mit Säureüberschuss

Beim Zollinger-Ellison-Syndrom kommt es zu einer übermäßigen Ausschüttung von Gastrin, das die Belegzellen zur Überproduktion von Magensäure anregt. Die Säure ist so hochkonzentriert, dass sie die Mukusschicht der Magenschleimhaut durchdringt und den Schließmuskel angreift. Die Symptome sind Reflux und sogar gelegentliches blutiges Erbrechen. Im Darmtrakt äußert sich der Säureüberschuss durch Verätzungen, Geschwüre und eine teilweise Inaktivierung der verdauungswirksamen Enzyme des Zwölffingerdarms [12].

Ein hoher Histaminspiegel steigert die Magensäureproduktion ebenfalls. Es ist aber nicht die Magensäure, die den Ösophagussphinkter erschlaffen lässt, sondern die vermehrte Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) in den Körperzellen. Nitrosativer Stress triggert die Histaminausschüttung (Mastzellaktivierungssyndrom) und wirkt relaxierend auf den Schließmuskel [13*]. Reflux und Säureüberschuss treten damit gleichzeitig und unabhängig voneinander auf.

Die Gefahren der Säurehemmer

Solange der Reflux – selbst wenn er von einem Magensäuremangel ausgelöst wird – einen pH-Wert unter 7 hat, reizt er die Speiseröhrenschleimhaut. Aus diesem Grund werden die meisten Medikamente gegen Sodbrennen so hoch dosiert, dass sie einen Zustand der totalen Achlorhydrie erzeugen. Dabei kommen in der Regel drei Typen von Säurehemmern zum Einsatz:

Wirkung von Säurehemmern

Antazida neutralisieren die Magensäure mithilfe einer basischen Substanz. Als Einzelwirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen verwendet werden meist Calciumcarbonat, Magnesiumcarbonat, Magnesiumhydroxid und Aluminiumhydroxid. Dabei können sich die Hydroxide im Körper anreichern. Aluminium steht zudem im Verdacht, an der Entstehung von Demenzerkrankungen beteiligt zu sein [14].

H2-Rezeptorblocker hemmen die Säureproduktion, indem sie die Signalkette zwischen ECL-Zellen und Belegzellen blockieren. Von Gastrin stimulierte ECL-Zellen geben Histamin ab, das an den H2-Rezeptor der Belegzelle andockt und die Säuresekretion triggert. Sind die Rezeptoren blockiert, löst der erhöhte Gastrin-Spiegel beim Essen keine angepasste Säureproduktion mehr aus.

Protonenpumpenhemmer hemmen das Enzym H+/K+-ATPase in den Belegzellen. Das auch als Protonen-Kalium-Pumpe bezeichnete Enzym schleust ein Kalium-Ion in die Belegzelle hinein und gibt dafür ein Proton in das Magenlumen ab. PPI reichern sich in den Belegzellen an und entfalten ihre volle Wirkung nach zwei bis vier Tagen. PPI senken die Magensäuresekretion um bis zu 95 Prozent und sind damit etwa doppelt so effizient wie H2-Rezeptorblocker [15].

Die Mittel helfen gegen Sodbrennen, so lange sie eingenommen werden. Doch die Refluxkrankheit heilen sie nicht, weshalb viele Patienten abhängig werden. Gleichzeitig werden die Gefahren der Achlorhydrie dramatisch unterschätzt. Denn obwohl sich die Patienten mit Säurehemmern zunächst scheinbar besser fühlen, werden sie auf Dauer immer kränker.

Wie Achlorhydrie krank macht

Ein Säuredefizit beraubt den Magensaft seiner verdauungswirksamen und antibakteriellen Funktion und zieht das gesamte Verdauungssystem in Mitleidenschaft. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen altersbedingten oder um einen medikamentös induzierten Säuremangel handelt. Eine chronische Achlorhydrie führt zu Störungen lebenswichtiger Körperfunktionen.

Aminosäuremangel: Ohne Salzsäure und Pepsin können Nahrungseiweiße nicht mehr in Aminosäuren aufgespalten werden. Aminosäuren sind die Bausteine der körpereignen Enzyme, Botenstoffe und Zellstrukturen. Aminosäuremangel kann zu verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit, schwacher Immunabwehr, Schlaflosigkeit und Depressionen führen [16].

Vitamin- und Mineralstoffmangel: Durch mangelhafte Eiweißverdauung ensteht ein Mangel an Vitamin B12. Denn das Vitamin muss mithilfe von Säure und Pepsin aus tierischen Proteinen herausgelöst werden, damit es im Dünndarm resorbiert werden kann. Zudem werden Eisen, Kalzium und Zink umso schlechter aufgenommen, je höher der pH-Wert im Magen ist [4*].

Unzureichende Fett- und Kohlenhydratverdauung: Im Zwölffingerdarm löst ein pH-Wert von unter 4,5 die Ausschüttung der Hormone Sekretin und Cholecystokinin (CCK) aus. Diese bewirken, dass die Bauchspeicheldrüse Verdauungsenzyme ausschüttet und die Leber Galle abgibt. Ist der Speisebrei zu basisch, können Fette und Kohlenhydrate nicht mehr vollständig verdaut werden. Ohne das Hormon CCK bleibt zudem das Sättigungsgefühl aus [17].

Bakterielle Fehlbesiedlung des Darms: Unvollständig verdaute Eiweiße und Kohlenhydrate werden im Darm von Bakterien zersetzt, woraufhin diese sich stark vermehren. Die Folgen sind Blähungen, Bauchkrämpfe, Durchfall oder Verstopfung. Fäulniskeime verschieben das saure Darmmilieu in den basischen Bereich und produzieren biogene Amine und Toxine wie Histamin, Tyramin und Ammoniak. Vergiftungssymptome sind Übelkeit, Brain Fog und Histaminintoleranz.

Leaky Gut: Die von pathogenen Keimen produzieren Toxine können die Darmschleimhaut besetzen und durch die Freisetzung verschiedene Entzündungsbotenstoffe durchlässig machen. Beim Leaky Gut kommmt zu einer dauerhaften Aktivierung des Immunsystems, die mit zahlreichen Krankheiten assoziiert ist.

Infektionskrankheiten: Magensäure schützt vor Krankheiten, denn die wenigsten Erreger, die über Mund oder Atemwege in den Magen gelangen, überleben bei einem pH-Wert unter 3. Liegt der pH-Wert darüber, können sich Keime, Viren oder Parasiten im Körper ausbreiten. Einige von ihnen können schwerwiegende Krankheiten wie Salmonellose oder Cholera auslösen [18].

Osteoporose: Die bei Magensäuremangel verminderte Aufnahme von Kalzium, Zink und Vitamin B12 kann die Knochen spröde und anfällig für Frakturen machen [19]. Ein erhöhter Magen-pH-Wert stimuliert zudem die Ausschüttung des Hormons Gastrin, das die Säureproduktion anregt. Eine dauerhafte Hypergastrinämie führt zu einem chronischen Anstieg des Parathormons, das die Kalziumausscheidung aus den Knochen bewirkt [20]. Zusätzlich ist Hypergastrinämie auch mit einem erhöhten Riskio für Magenkrebs assoziiert [21].

Warum die Säureproduktion nachlässt

Der Magen wird vom Vagusnerv innerviert. Er regt die Magenzellen zur Ausschüttung von Gastrin und so zur Produktion von Salzsäure an. Unter Stress ist seine Tätigkeit herabgesetzt. Weil der Vagusnerv auch die Leber, den Darm und die Bauchspeicheldrüse versorgt, kann es bei Stress zu einer Vielzahl von Verdauungsbeschwerden kommen. Chronischer Stress kann sich schleichend über viele Jahre hinziehen, bevor es zu körperlichen Symptomen kommt. Die Dinge, die uns “auf den Magen schlagen”, können weit in der Vergangenheit liegen.

Ein weiterer Grund für die reduzierte Säureproduktion ist zellulärer oxidativer Stress. Er führt dazu, dass die Mitochondrien weniger Energie produzieren und die Sekretionsleisgung der Belegzellen abnimmt. Denn die Säuresekretion ist ein sehr energieintensiver Prozess. Für den Transport von 4 H+-Ionen in das Magenlumen benötigt die Protonen-Kalium-Pumpe 1 ATP. Um diese Energie bereitstellen zu können, bestehen 40% des Zellvolumens der Belegzellen aus Mitochondrien [22].

Die häufigste krankheitsbedingte Ursache der Achlorhydrie ist die atrophische Gastritis – eine chronische Entzündung der Magenschleimhaut, die zu einem Verlust der Belegzellen führt. Häufig wird sie durch eine Infektion mit Helicobacter Pyroli ausgelöst. Daneben gibt es auch eine autoimmun bedingte und eine chemisch induzierte Form der Gastritis. Letztere wird durch Medikamente wie Antirheumatika, Asprin, Schmerzmittel oder Alkohol hervorgerufen. Atrophische Gastritis betrifft in Industrienationen fast die Hälfte der über 50-Jährigen [23].

Magensäure-Selbsttest

Ob Du genügend Magensäure produzierst, kannst Du mit ein paar einfachen Selbsttests herausfinden:

Wenn sich der Urin zeitnah nach einem Essen mit roter Bete oder einem Glas rote Bete-Saft rosa verfärbt, hast Du wahrscheinlich zu wenig Magensäure. Wenn Du rote Bete in fester Form zu Dir genommen hast, dann sollte nach entsprechender Verweilzeit im Darm auch der Stuhl rötlich eingefärbt sein. Auch ohne rote Bete liefert die Farbe des Stuhls wichtige Anhaltspunkte: Ist er regelmäßig gelb verfärbt, dann schüttet die Bauchspeicheldrüse keine Verdauungsenzyme und die Leber keine Galle mehr aus und das im Stuhl enthaltene Bilirubin wird nicht abgebaut.

Eine weitere Möglichkeit ist der Natron-Test. Dazu löst Du 5 bis 10 Gramm Natron (entspricht 1 bis 2 Teelöffeln Natronpulver) in einem Glas (ca. 200 ml) Wasser auf und trinkst diese morgens auf nüchternen Magen. Im Magen sollte aufgrund der Säure-Basen-Reaktion Kohlendioxid (CO2) entstehen:

NaHCO3 + HCl ⟶ NaCl + H2O + CO2

Das CO2 entweicht als Rülpser aus dem Magen. Je später diese Reaktion stattfindet, desto weniger Säure enthält der Magen. Musst Du erst nach 5 Minuten oder gar nicht aufstoßen, ist Dein Magen sehr wahrscheinlich untersäuert.

Natron und Betain-HCl
Zutaten für die Magensäure-Selbsttests: links: Natron, rechts: Kapseln mit Betain-HCl

Magenkapseln mit Betain-Hydrochlorid (Betain-HCl) und Pepsin ersetzen die fehlende Magensäure und unterstützen die Eiweißverdauung. Bei Verdacht auf Magensäuredefizit kannst Du eine Kapsel zu Beginn einer Mahlzeit mit Protein und Fett einnehmen. Merkst Du nichts, dann hast Du sehr wahrscheinlich zu wenig Magensäure und Du kannst die Dosis beim nächsten Mal erhöhen. Ist die Dosis zu hoch, spürst Du ein warmes und brennendes Gefühl im Magen und Du musst die Dosis um eine Kapsel reduzieren. Wichtig: Nimm die Kapseln nur ein, wenn Du keine Gastritis hast. Im Zweifelsfall solltest Du die Einnahme mit Deinem Arzt oder Heilpraktiker besprechen.

Wenn Du an einem altersbedingten Säuremangel leidest und/oder lange Zeit Säurehemmer eingenommen hast, dann leidest Du vielleicht an Völlegefühl, Aufstoßen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Mit der Einnahme von Betain-HCl sollten sich die Verdauungsbeschwerden deutlich verbessern. Zudem solltest Du Deinen Vitaminstatus prüfen. Vitamin B12-Mangel führt unter anderem zu einem Anstieg von Homocystein, das die Entstehung von Atherosklerose fördert.

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Quellen

  1. A. Rössel, M. Schulz. Rx-Trendbericht: Im Fokus Protonenpumpeninhibitoren. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Berlin, 10.11.2017
  2. Wikipedia – Cardia
  3. Wikipedia – Magensaft
  4. Jonathan V. Wright, M. D. & Lane Lenard, Ph. D. Ein Lob der Magensäure: Natürliche Linderung von Sodbrennen, Reflux und Verdauungsbeschwerden. Herausgeber: Mobiwell Buch*
  5. Morihara M, Aoyagi N, Kaniwa N, Kojima S, Ogata H. Assessment of gastric acidity of Japanese subjects over the last 15 years. Biol Pharm Bull. 2001 Mar;24(3):313-5.
  6. https://www.netdoktor.de/krankheiten/refluxkrankheit/
  7. Surdea-Blaga T, Negrutiu DE, Palage M, Dumitrascu DL. Food and Gastroesophageal Reflux Disease. Curr Med Chem. 2019;26(19):3497-3511
  8. Caselli M, Lo Cascio N, Rabitti S, Eusebi LH, Zeni E, Soavi C, Cassol F, Zuliani G, Zagari RM. Pattern of food intolerance in patients with gastro-esophageal reflux symptoms. Minerva Med. 2017 Dec;108(6):496-501
  9. Wikipedia – Hiatushernie
  10. https://www.sodbrennen-welt.de/news/200402-Diabetes-ist-Risikofaktor-fuer-Sodbrennen.htm
  11. http://www.gesundheits-lexikon.com/Schwangerschaft-Stillphase/Refluxkrankheit/Ursachen.htm
  12. https://de.wikipedia.org/wiki/Zollinger-Ellison-Syndrom
  13. Dr. sc. med. Kuklinski J. Mitochondrien: Symptome, Diagnose und Therapie, Herausgeber: Aurum in Kamphausen Media GmbH. Auflage:3 (2018) Buch*
  14. Wikipedia – Antazidum
  15. Doccheck – H2-Rezeptorantagonist
  16. Meier R: Aminosäuremangel. Klinische Symptomatik und Ursachen. Schweiz Z Ganzheitsmed 2005;17:290-293.
  17. Wikipedia – Cholecystokinin
  18. Martinsen TC, Bergh K, Waldum HL. Gastric juice: a barrier against infectious diseases. Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2005 Feb;96(2):94-102
  19. https://www.vitamindoctor.com/gesund-werden/stuetz-bewegungsapparat/osteoporose
  20. Ito, Tetsuhide & Jensen, Robert. (2010). Association of Long-Term Proton Pump Inhibitor Therapy with Bone Fractures and Effects on Absorption of Calcium, Vitamin B12, Iron, and Magnesium. Current gastroenterology reports. 12. 448-57. 10.1007/s11894-010-0141-0.
  21. Waldum, Helge & Sagatun, Liv & Mjønes, Patricia. (2017). Gastrin and Gastric Cancer. Frontiers in Endocrinology. 8. 10.3389/fendo.2017.00001.
  22. Krentz K. (1989) Krankheiten des Magens und des Zwölffingerdarmes. In: Kühn H.A. et al. (eds) Innere Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg
  23. https://www.netdoktor.at/krankheit/chronische-gastritis-6676089

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